Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

die Fraktion Bürgerliche Mitte stellt folgenden Prüfantrag:

Im Rahmen der Erarbeitung des Gesamtverkehrsplans wird die Verwaltung beauftragt,

1. für den Planungsraum Innenstadt die Einführung eines sogenannten Schleifensystems zu prüfen, das Durchgangsverkehr durch die Innenstadt durch bauliche Maßnahmen unterbindet, die Innenstadt (bzw. durch Schleifen festgelegte Teilbereiche) aber mit Rücksicht auf Anwohner, Besucher und Gewerbetreibende weiterhin aus allen Himmelsrichtungen für den motorisierten Verkehr erreichbar hält.

2. zu prüfen, wie Verkehrsflächen, die bisher dem motorisierten Verkehr vorbehalten sind, in Folge der Einführung eines Schleifensystems aber frei werden, um- bzw. neugestaltet werden können (z.B. Stadtgrün, Spielplätze, Radwege, kritische Rekonstruktion von im 2. Weltkrieg zerstörten Gassen, Kanäle).

3. mögliche Ausweichverkehre in Folge der Einführung eines Schleifensystems bzw. von anderen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen (z.B. Rückbau der Achse Jakobertor-Kennedyplatz) zu analysieren.

4. mit Blick auf die Einführung eines Schleifensystems (oder anderer Verkehrsberuhigungs-maßnahmen) sowie die zu erwartende Entwicklung des motorisierten Individualverkehrs (ob basierend auf Verbrennungs- oder emissionsfreien Motoren) die Entlastungswirkung einer neu- bzw. auszubauenden Innenstadtumgehung zu prüfen (z.B. von der Bürgermeister-Ackermann-Straße entlang der Wertach zur Riedingerstraße, MAN-Spange, Berliner Alle, Schleifenstraße).

5. zu prüfen, inwieweit ein Schleifensystem in Teilbereichen der Innenstadt bereits heute umsetzbar ist, weil der Durchgangsverkehr über bestehende Hauptverkehrsstraßen um die Innenstadt herumgeleitet werden kann (z.B. Verkehrsberuhigung Oberer und Mittlerer Graben, vgl. ANT/21/05696).

6. zu prüfen, welche Haushaltsmittel für die Voruntersuchung erforderlich sind.

Begründung:

Die Verkehrsführung im Bereich der Augsburger Altstadt folgt in großen Teilen noch den politischen Festlegungen aus der Ära der „autogerechten Stadt“ der 50er Jahre. Während Großstädte wie Nürnberg oder München den Durchgangsverkehr durch die Einführung sogenannter Schleifensysteme aus ihren historischen Zentren verbannt haben, bestehen in Augsburg die nach dem Zweiten Weltkriegs entstandenen Hauptverkehrsachsen in Nord-Süd- (Oberer und Mittlerer Graben) sowie Ost-West-Richtung (Grottenau, Ludwig-, Karlstraße, Leonhardsberg, Pilgerhausstraße, Jakoberstraße) nach wie vor fort. Diese Hauptverkehrsstraßen sind im sogenannten Wirtschaftsplan des Jahres 1949 angelegt.

Das Festhalten an dieser Verkehrsplanung bei einer gleichzeitigen enormen Zunahme des motorisierten Individualverkehrs führte dazu, dass Teile der Augsburger Altstadt unter großen Verkehrsproblemen leiden. Die in der Folge auftretende Luftverschmutzung und Lärmbelastung sind eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für Anwohner und Passanten. In Teilen der Jakobervorstadt sowie am Oberen und Unteren Graben werden tagsüber Lärmpegel zwischen 70 und 75 dB(A) gemessen. Das entspricht der Lautheit eines mit knapp über 100 km/h fahrenden Pkw aus 7 Meter Entfernung gemessen. Zulässig sind nach DIN 18005 lediglich 60 dB(A). Auch nachts werden in diesem Bereich statt der als Richtwert vorgegebenen 50 dB(A) Werte von bis zu 68 dB(A) gemessen. Somit werden Bewohner und Passanten tagsüber und nachts einem Schallpegel ausgesetzt, der über der Risikoschwelle für Herz- und Kreislauferkrankungen (65 db(A)) liegt.

Die Verkehrsbelastung nimmt den Altstadtbereichen entlang dieser Verkehrsachsen zudem jegliche Aufenthaltsqualität. Während beispielsweise die verkehrsberuhigten Gassen am Mittleren Lech beliebte Wohngegend und Flaniermeile sind, sind in der Jakoberstraße Trading-Down-Effekte zu beklagen. Die Pilgerhausstraße ist – obwohl eigentlich in bester Innenstadtlage gelegen – mit Brachflächen und Angsträumen (Fußgängerpassage Pilgerhausstraße 19-27) ein stadtplanerisches Problemgebiet.

Durch die Einführung eines Schleifensystems nach Nürnberger und Münchner Vorbild könnte die historische Altstadt Augsburgs vom Durchgangsverkehr befreit werden. Damit wäre ein großer Gewinn an Lebensqualität für Bewohner und Passanten verbunden. Verkehrsflächen, die heute von mehrspurigen Straßen belegt sind, stünden zur Verfügung, um städtebauliche Missstände zu beheben. Es würde Raum für Stadtgrün, Plätze mit Aufenthaltsqualität und Fahrradwege frei. Anders als bei einer Komplettsperrung für jeglichen motorisierten Individualverkehr bliebe die Innenstadt aber aus allen Himmelsrichtungen für Anwohner, Besucher, Gewerbetreibende und ihre Kunden und Lieferanten weiterhin erreichbar.

Verkehrsberuhigende Maßnahmen in der Innenstadt allein lösen jedoch nicht das Problem, dass Verkehre, die bisher durch die Innenstadt fließen, nicht über Nacht verschwinden werden. Es steht nicht zu erwarten, dass der erforderliche Ausbau des ÖPNV und des Radverkehrs im Stande ist, die Zunahme des motorisierten Verkehrs auf mittlere Sicht abzubremsen oder umzukehren. Auch in Zukunft ist Augsburg also auf eine leistungsfähige Infrastruktur für den MIV angewiesen. Um zu verhindern, dass es zu Ausweichverkehren in innenstadtnahe Wohngebiete (also zu einer bloßen Verlagerung der verkehrsbedingten Belastungen) kommt, kann die Prüfung einer Verkehrsberuhigung der Innenstadt nicht von der Prüfung eines evtl. notwendigen Neu- bzw. Ausbaus einer Innenstadtumgehung getrennt werden.

Prüfantrag Schleifensystem Innenstadt und Innenstadtumgehung 21.10.21